Martin, Sonntag, 12 April 2020 in San Pancho, Nayarit, Mexiko
San Pancho ist ein kleines Dorf an der mexikanischen Pazifikküste. Vielleicht 3000 Personen leben hier. Viele Amerikaner und Kanadier haben hier ihre Ferienhäuser und verbringen den Winter in der Wärme. Ostern ist die Hauptreisezeit in Mexiko, da die Feiertage auch den Arbeitnehmern mit wenig Urlaub eine kleine Reise erlauben. Die Sorge ist daher in Mexiko groß dass sich mit den Touristenströmen auch das Virus stark verbreitet. Die föderale Regierung hat bisher nur Empfehlungen aber keine Verbote für private Aktivitäten ausgesprochen. Deshalb haben betroffene Bundesstaaten eigene Regeln erlassen. Zum Anfang der Osterferien wurden die Strände in Nayarit gesperrt, und Hotels, Airbnb etc. wurde verboten zu öffnen. Restaurants dürfen nur zum Mitnehmen verkaufen. In San Pancho hat eine Dorfversammlung beschlossen am Dorfeingang eine Straßensperre zu errichten, der ‘filtro’. Ziel ist es die Bewegung auf ein nötiges Minimum zu beschränken. Kontrolliert werden die Verbote von verschiedenen Gruppen aus dem Dorf, der Polizei und der Armee. Jedes Fahrzeug, welches aus dem Dorf raus fährt, wird markiert damit es keine Probleme beim Zurückkommen gibt. Es gab aber schon Versuche Touristen im Auto reinzuschmuggeln und dergleichen.
Wir, eine Deutsch-Mexikanische Familie mit zwei kleinen Kindern, waren wohl eine der ersten, auch aufgrund der Berichte aus Deutschland, die darauf geachtet haben, großen Abstand einzuhalten und den Kontakt zu anderen zu reduzieren. Am Montag sind es 4 Wochen in selbst auferlegter Isolation. Am Anfang waren wir noch oft am Strand, das ist nun leider nicht mehr möglich. Das Strandverbot wird aber hoffentlich für Ansässige nach den Ferien wieder gelockert. Unser Ostersonntag ähnelte daher sehr den anderen Tagen. Wir haben wie immer auf der Terrasse gefrühstückt. Der Osterhase hat einige Süßigkeiten versteckt, dann wurde mit den verschiedenen Familien per Videoanruf Grüße ausgetauscht. Jeden Tag versuchen wir zumindest einmal mit den Kindern nach draußen zu gehen. Meist ist es ein kleiner Spaziergang zu einer Wiese hinter dem Haus. Eine kleine Schule steht direkt daneben und die Kinder dürfen im Garten ein Trampolin benutzen, es ist ja sonst gerade niemand da. Ab und zu kommt der Lehrer raus und wir unterhalten uns eine Weile (natürlich mit dem richtigen Abstand). Abends sitzt ein Amerikaner vor seinem Haus und trinkt Whiskey und beobachtet Vögel. Er hat große Angst vor dem Virus und lässt sich Lebensmittel liefern.
Viele leben hier vom Tourismus und gerade in den Osterferien hätten sie viel verdient. Es wird für viele schwierig werden, weiter Miete, Schulgeld etc. zu bezahlen. Ein Rentner aus Kanada hat mir erzählt dass er eventuell wieder anfangen muss zu arbeiten. Seine ‘Rente’ ist ein Aktienpaket des ehemaligen Arbeitgebers und das ist jetzt nur noch einen Bruchteil wert. Ich könnte mir vorstellen dass diese vielen Probleme hier im Dorf eine Kettenreaktion in Gang setzen an deren Ende viele wegziehen, da man hier nichts mehr verdienen kann.
In Mexiko wurden relativ früh Maßnahmen empfohlen, daher steigt die Anzahl der Fälle vermutlich etwas langsamer als in anderen Ländern. Auf der anderen Seite ist es für große Teile der Bevölkerung praktisch unmöglich länger nicht zu arbeiten, da sie das Geld für die täglichen Lebensmittel brauchen. Wahrscheinlich wird es daher in den nächsten Wochen mehr und mehr Infektionen geben und die medizinische Versorgung wird an ihre Grenzen stoßen. In San Pancho steht das einzige Krankenhaus der Gegend. Anscheinend ist schon ein Patient am Coronavirus gestorben. Wir hoffen erst einmal nicht krank zu werden und so die schlimmste Zeit zu überstehen. Dazu kommt, dass wir keiner Risikogruppe angehören, d.h. wir würden wohl auch kein Krankenhausbett benötigen… man weiß es aber nie. Unangenehmer könnten andere Folgen sein, z.B. durfte eine Krankenschwester aus unserem Krankenhaus nicht mehr nach Hause. Die Leute am ‘filtro’ des Nachbardorfs wollten sie nicht mehr hineinlassen. Man hatte Angst, dass sie ansteckend ist. Es wurde daher dazu aufgerufen leerstehende Wohnungen in San Pancho dem Klinikpersonal zur Verfügung zu stellen, so können die Krankenschwestern und Ärzte hier bleiben und müssen nicht pendeln. Ein Beispiel wie Angst, Egoismus und fehlende Bildung gefährlich werden können, vielleicht gefährlicher als das Virus selbst.